In den Herbstferien kamen die Karatekas des TSV Grünwalds zu einem Lehrgang mit Luigi Bettini (5. Dan) zusammen. Selbst aus Oettingen war eine kleine Gruppe angereist. Insgesamt zog es trotz herbstlichem Sonnenschein 23 Teilnehmer – vorwiegend ab Violett-Gurt – in die Helmi-Mühlbauer-Halle. Luigi hatte sich ein abwechslungsreiches Programm zurechtgelegt: die Kata Tekki Shodan und Oi-Tsuki-Komi.
Mit dem Rücken zur Wand übten die Karatekas die Kata Tekki Shodan. Luigi erklärte, dass gerade diese Kata zum Kampf auf engstem Raum vorgesehen ist. Bei den Übungen zum Bunkai, dem Partnertraining, standen daher die Sportler mit dem Rücken zur Wand. Mit keinem Platz nach hinten bedrängte sie der Angreifer fast „erbarmungslos“ von vorne. Um die Situation zu meistern, wurde mit der ersten Abwehrbewegung, meistens über den Arm, der zum Uchi-Ude Uke führte, die Kraft eingezogen, um nach der Abwehr im Gegenangriff wieder freigesetzt zu werden.
Luigi Bettini legte sehr viel Wert auf das Partnertraining. Auch hier konnten die Karatekas das Prinzip der Tekki Shodan weiterführen: den festen Stand. Bei jeder Bewegung ist es entscheidend, sich nach unten hin zu „verwurzeln“. Partnertraining macht auch aus einem anderen Grund Sinn, denn man kann jahrelang mit den Fäusten und Füßen in die Luft schlagen und im ersten Kampf ohne Effekt dastehen. Wer viel in die Luft schlägt, bei dem kommt nur Luft heraus, meinte Luigi Bettini. Beide Formen des Trainings müssen daher gepflegt werden. Die „Archäologen“, die sich für Technik und deren Entwicklung begeistern, sind genauso bedeutend wie die „Kämpfer“.
Auch die Wahl des richtigen Partners ist manchmal entscheidend. Luigi Bettini erzählte dazu von den Trainingsvorbereitungen des Ex-Weltmeisters Campari, der täglich drei Stunden vor einer Wand übte. Denn die Wand hatte keine Gefühle – etwas, was man sich im Wettkampf natürlich nicht erlauben darf.
Nicht nur solche Erfahrungsberichte trugen zu einer lockeren Lehrgangsathmosphere bei. Schon einmal ein Telefonbuch beim Lehrgang eingesetzt? Beim Training zum Oi-Tsuki-Komi tauchte die Variante „Münchner Gelbe Seiten“ auf. Luigi Bettini demonstrierte damit die verschiedenen Wege der Kraftentfaltung über den Oi Tsuki, Gyaku Tsuki und den Oi Tsuki Komi. Besonders die Oberstufe begeisterte Luigi mit dieser Trainingsmethode. Selbst noch in der Lehrgangspause, übten die Höhergraduierten mit einem Telefonbuch als Makiwara-Ersatz („Boxsack“ aus Holz im japanischen Karate) unter dem Anzug. Sie feilten mit ihrem Partner an Abstand, Kraft und Technik und versuchten ihre Zielgenauigkeit zu verbessern.
Zum Schluß hatten fast alle sechs Stunden in der Halle gestanden. Ein selten geübter Bereich, der Oi Tsuki Komi, war ihnen von Luigi Bettini erschlossen worden; mit der Kata Tekki Shodan waren sie am Hallenboden „fast“ festgewachsen. Manche spielten bereits beim Abschied mit dem Gedanken, Luigi Bettini im nächsten Jahr zu einem eigenen Lehrgang einzuladen.
Peter Henkel
Erschienen:
- Harlachinger Rundschau, 9. November 2011
- Grünwalder Isar-Anzeiger, 10. November 2011